Post für Sie

Ihr Lieben alle!

Nachhaltig beeindruckende Erlebnisse drängen mich dazu, in dieser „Post für Sie“ zum Gebrauch digitaler Medien Stellung zu nehmen – insbesondere was unsere Kinder und Jugendlichen im Kontakt mit digitalen Medien erleben …
So erfuhr ich von einem jungen Mann, dass er mit 13 über einen Mitschüler per WhatsApp in den Kontakt zu einem – wie sich später herausstellte – pädophilen Mann kam, der ihn nach anfänglich harmlosen Nettigkeiten zu abstrusen Taten und Fotos drängte. Der Dreizehnjährige war von der Situation nicht nur total überfordert, sondern auch voller Scham und vertraute sich erst nach einem halben Jahr seiner Mutter an. Vor einiger Zeit suchte er den Kontakt zu mir, weil ihn Worte, Bilder und Gefühlsverfasstheiten von damals bis heute sehr belasten.

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Eltern berichten im Beratungsgespräch besorgt über medienfokussierte Kinder und Jugendliche, die einerseits von den Endgeräten nicht lassen wollen (können?) und andererseits genau durch die Informationen in Chats und Netzwerken Höllenqualen erleben: Sie fühlen sich häufig ausgeschlossen oder sogar gemobbt, entwickeln Minderwertigkeitskomplexe und bleiben gleichzeitig extrem bemüht „auf allen Kanälen“ online präsent zu sein! Ein Teufelskreis …

In unserem wunderschönen Wanderurlaub in Südengland erlebte ich häufig, wie Kleinkinder im Buggy während des elterlichen Stadtbummels Zeichentrickfilme auf einem Handy oder Tablet vor sich verfolgten. Sobald man sie aus dem Buggy in einen Hochstuhl setzte (Café, Restaurant …) wurde das Endgerät mit einem Ständer vor sie auf dem Tisch platziert. Die Kinder sahen weiter gebannt auf den Bildschirm und nahmen ihr Umfeld und die Abläufe um sich herum nicht wahr.
Und während unserer Heimfahrt mit dem Zug von London nach Paris hab‘ ich mich mal umgeschaut und festgestellt, dass im gesamten Zugabteil bis auf zwei schlafende Fahrgäste alle – ALLE – mit Laptop oder Handy zugange waren. Die Kühe auf der Weide und den Mähdrescher bei der Ernte draußen auf dem Feld hab‘ nur ich gesehen.

Ich lehne digitale Medien keinesfalls kategorisch ab. Doch liegt mir zutiefst am Herzen, dass wir auch die Erkenntnisse über ihre Auswirkungen auf Körper, Geist und Seele berücksichtigen, um gesund Maß zu halten!
Wenn sich ein Kleinkind auf den Boden wirft und wütend nach mehr Schokolade verlangt, erlebe ich die allermeisten Eltern standhaft: Zunächst erklären sie dem Kind, dass Schokolade viel Zucker enthält und es davon Bauchweh bekommen kann und wenn das Kind sich für die Erklärung nicht öffnet, bleiben sie meist dennoch bei ihrem Verbot. Ebenso entschieden sind Eltern, wenn der oder die Fünfzehnjährige am Geburtstag mit Freunden Bacardi-Cola oder Bier mit Schnaps im Wechsel genießen will: Sie erklären die schädigende Wirkung und verhindern den Genuss dieser Getränke – auch wenn das Geburtstagskind sich für die Erklärung nicht öffnet.
Kinder und Jugendliche haben eine andere Persönlichkeitsstruktur als Erwachsene: Sie sind naturgegeben stark von Lust geführt und bewegt. Da wo es gefährlich wird, brauchen sie Eltern und Pädagogen, die sie schützen. Im Blick auf die Mediennutzung heißt das: Damit ihr Selbstwertgefühl sich entfalten kann, damit der Vergleich mit anderen nicht überhandnimmt, damit sie nicht auf Informationen, Fotos und Kontakte stoßen, die sie erschrecken, schädigen oder süchtig machen … brauchen sie unseren Schutz! Und auch uns Erwachsene erholt und beschenkt ein Spaziergang oder ein Live-Gespräch mit Freunden mehr als zwei Stunden in Chats zu surfen.

Aufrichtung und Stärke, um unsere Kinder und Jugendlichen zu schützen,
und einen Sommer voller Lebendigkeit wünscht Ihnen und Euch von Herzen

Ihre Elisabeth Johannsen
Hambach, im Juli 2023

P.S.: Ein unterstützendes Büchlein will ich an dieser Stelle sehr empfehlen: „Gesund aufwachsen in der digitalen Medienwelt“, für 14,90 € zu bestellen über www.diagnose-media.org